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 Betreff des Beitrags: Roger Cicero - Was immer auch kommt
BeitragVerfasst: Mo 7. Apr 2014, 11:58 
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Registriert: Di 31. Aug 2010, 11:05
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Roger Cicero - Was immer auch kommt

Konnte ich mich seinerzeit mit der Musik seines Vaters Eugen Cicero, der Jazz und Klassik auf hervorragende Weise verknüpfte, noch anfreunden, so fiel und fällt es mir bei seinem Sohn - also bei Roger - doch ein wenig schwer. Als langjähriger Jazzfan sollte ich dabei eigentlich froh sein, dass Elemente dieser Musik auch in diesem Umfeld verwendet wurden.

Aber solche Jazzsänger, wie zum Beispiel Frank Sinatra oder Johnny Hartman, sind bei mir aufgrund ihrer Einzigartigkeit und ihres seelenvollen, ausdrucksstarken Gesangs derart tief verankert, dass es mir schwer fällt, hier wirklich etwas Neues zu entdecken. Nun gut, neu wäre/ist Jazzgesang in deutscher Sprache. Und so war die Platte "Männersachen" eine eigentlich recht interessante Angelegenheit: Jazzgesang im Gewand eines dicken Arrangements einer Big Band.

Aber eben auch die Musik ist ein wichtiger Aspekt und die wurde in der Regel, wie bei den eingangs genannten Beispielen, stets von hochwertigen Arrangeuren und erstklassigen Jazzmusikern gestaltet, die alle etwas gemein hatten: hohe Qualität und das Vermögen, zu swingen - eine seelenvolle Atmosphäre zu schaffen, die oft mit dem Begriff 'sophisticated' recht passend umschrieben war. Und so hatte ich Roger Cicero auch als Jazzsänger kennengelernt, aber die Musik erreichte mich weniger. Trotz der hohen Güte der Arrangements blieb mir die Musik fern und zu kalt. So, nun ist er auf seinem neuen Album von der reinen Lehre abgewichen und ich höre mehr Pop als sonst... oder nur Pop?

Grenzen zwischen Jazz und Pop wurden bereits oft neu gesteckt und solche Fusionen der Elemente, wie man sie von Michael Franks und ähnlichen Künstlern kennt, führten in der Regel stets zu zwar weichgespült anmutenden Klängen, aber diese Musik hatte viel Groove, viel Wärme, viel Eleganz und verfügte über Harmonie wie Melodik ersten Grades. Wie ist es hier? Nun, Elemente des Jazz werden nicht einfach weggewischt. Sie sind noch stets präsent und der manchmal dezente Swing - wie gleich im Eröffnungstitel, dem auch ein ganz kleines Bläserarrangement spendiert wurde - kommt hier vielleicht besser zur Geltung als im pompösen Gewande.

Hinsichtlich des Gesangs stelle ich fest, dass Roger Cicero mitunter ein wenig der Musik vorwegläuft, zum Beispiel durch eine recht schnelle Aneinanderreihung von Text. Etwas weniger hätte, zum Beispiel bei "Glück ist leicht" besser gepasst, schließlich kann er es ja, diese Gestaltung von Gesang innerhalb eines festen Gefüges. So habe ich mitunter den Eindruck, als wolle Cicero noch immer dem Tempo schneller Jazztitel folgen, anstatt etwas Zurückhaltung in die stimmungs- und tempomäßig reduzierten Poptitel einzubringen.

Beim leicht groovigen Funk zu "Wenn morgen schon zu Ende wär'" passt es recht gut. Hier ist eine sehr stimmige und gute Atmosphäre entstanden, die insgesamt sehr geschmeidig wirkt - für mich einer der besten Titel. So passt es aus meiner Sicht dann am ehesten, wenn sich der Sänger weitestgehend vom Jazz löst und versucht, wirklich konsequent den neuen (oder vorübergehenden?) Weg zu gehen. "Du bist mein Sommer" geht in diese Richtung - ein, unter dem Aspekt deutschsprachiger Popmusik betrachtet, recht guter Song. Ebenfalls recht interessant ist "Knapp daneben" - ein Titel, bei dem Jazzvergangenheit und Popmusik eine sehr gute Allianz eingehen, auch einer der Highlights dieser Platte.

Bedacht werden sollte noch, dass diese Musik vor dem Hintergrund einer Trennung von der Partnerin und dem fünfjährigen gemeinsamen Sohn entstanden ist. So wird man, - achtet man verstärkt auf die Texte - viele autobiografische Hinweise darauf finden. Ganz besonders dramatisch ist es beim letzten Song, dem mit Streichern auch noch melancholisch untermalten "Frag nicht wohin", wenn er sich vom Sohn verabschieden muss.

So stelle ich abschließend fest, dass ein in Teilen gutes Popalbum entstanden ist und dass ich hoffe, dass Roger Cicero seine grundsätzliche Fähigkeit, Jazz singen zu können, in Zukunft wieder aufgreift und sich hierbei möglichst auch einmal auf Experimente hinsichtlich der bisher relativ konservativen Gestaltung der letzten Big Band-Platten einlässt. Deutsche moderne Jazzer dürften reichlich zur Verfügung stehen. Ich verweise hierzu ganz dringlich auf die einstige Platte "There I Go", die er 2005 mit der Band After Hours vorlegte - allerdings in englischer Sprache.

Roger Cicero (Gesang)
Matthias Meusel (Schlagzeug - #1-12, Percussion - #1,2,4,5,7,8,10,11)
Mike Schott (piano - #1,2,6-9,11), Wurlitzer - #2,5,7-11, Harmonium - #7,11, Orgel - #9,10)
Ulrich Rode (Gitarre - #1,2,4-11)
Hervé Jeanne (Bass - #3,12,13)
Uwe Granitza (Posaune - #1-7,9-13, Bassposaune - #3,7,11-13)
Dirk Lentschat (Trompete - #2-4,7,9,10,12, Flügelhorn - #1,5,6,11,13)
Gabriel Coburger (Tenorsaxofon - #2, 4-7,9,10,12, Baritonsaxofon - #3,7,11,12)
Kiko Masbaum (Piano - #1,2,4,5, Percussion - #2,4,5,7, Wurlitzer - #2,4, Gitarre - #2,4,5)
Roland Spremberg (Piano & Programming - #3,12,13, Akustikgitarre - #12)
Michael Paucker (Bass - #1,4,5,7-11)
Christian Neander (Percussion - #1, Gitarre - #11)
Alexander Zuckowski (Gitarre - #7)
Benny Brown (Flügelhorn-Solo - #6)
Björn Werra (Bass - #2,6)
Stefan Pintev (Violine & Bratsche - #13)
Hagen Kuhr (Cello - #13)


01:Was immer auch kommt (3:26)
02:Glück ist leicht (3:51)
03:Wenn morgen schon zu Ende wär' (3:41)
04:Straße (4:11)
05:Wenn du die Wahl hast (3:59)
06:Endlich wieder frei (3:58)
07:Du bist mein Sommer (3:05)
08:Durch deine Augen (4:01)
09:Hollywood (3:59)
10:So sieht man sich wieder (3:34)
11:Knapp daneben (3:49)
12:Das Leben ist auch nur ein Mensch (3:43)
13.Frag nicht wohin (3:28)


http://www.rogercicero.de/

Wolfgang


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