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Martin Kolbe - Songs From The Inside

Erst vor wenigen Wochen wurde von Stockfisch Records Blue Moment, eine 1977 veröffentlichte Platte Martin Kolbes wiederveröffentlicht. Nun folgt mit "Songs From The Inside" eine CD mit neuen Aufnahmen, erschienen im Mai dieses Jahres.

Ist mir der Musiker in erster Linie als hervorragender Gitarrist bekannt, so tritt die vorrangige Gitarrenkunst auf dieser Platte in den Hintergrund. Damit komme ich gleich zum Titel der Platte, "Songs From The Inside", und dieser Titel ist Programm, denn Martin Kolbe berichtet offen von dem Schicksal, das ihn 1987 traf - nämlich von seiner Erkrankung, der sogenannten Bipolaren Störung. Dabei geht er mit diesem Thema, das gesellschaftlich leider noch immer ein Tabu ist, sehr offen um.

Liest man die Information der Deutschen Gesellschaft für Bipolare Störungen e.V. (DGBS), so kann man nachvollziehen, wie umfassend und komplex diese Erkrankung sein kann, wie sehr die Betroffenen und ihre Umgebung im Alltagsleben beeinträchtigt werden. Deshalb behandeln die Songs diese Thematik recht eingängig - mit ruhiger und ein wenig rauchiger Stimme berichtet uns der Protagonist über etwas, das den meisten von uns in diesem Ausmaß fremd sein wird, jedoch grundsätzlich auch über psychische Erkrankungen im Allgemeinen. Und so bringt dieses 'Outing' Einblicke in eine Welt, in der es wirklich um die Existenz geht. Die Tiefe dieser Krankheit hat nichts mit jenen Befindlichkeiten zu tun, von denen jede/r einmal betroffen ist - sich nicht gut zu fühlen, den 'Herbst/Winter-Blues' zu haben oder auch einmal ein wenig euphorisch zu sein.

Nach diesen Informationen geht man sicherlich ein wenig voreingenommen an das Anhören der Platte. Sicher ist es nicht jedermanns Sache, sich mit Problemen solcher Art auseinander setzen zu wollen, denn Probleme hat ja eigentlich jeder selbst genug. Andererseits sollte man das aber lockerer sehen und ich als Bluesfan betrachte es so, dass alle, die sich überhaupt einmal ernsthaft mit Blues beschäftigt haben, letztlich in eine dunkle und brutale Welt abgetaucht sind. Musik ist eben auch Zeitgeschichte und innerhalb dieser werden viele kleine Erzählungen über Probleme geschrieben, denen bestimmte Bevölkerungsschichten oder Gruppierungen ausgesetzt sind oder auch über persönliche Befindlichkeiten. Tatsächlich ist die Geschichte von Martin Kolbe eine von schätzungsweise 1,5 bis 5 Prozent unserer Bevölkerung.

Aufgenommen wurde die Musik zwischen Januar und März 2014, hauptsächlich im Daylight Studio Siegen. Als wesentlichen musikalischen Begleiter gibt es Peter Autschbach an diversen Gitarren zu hören. Zusammen bilden die beiden ein dichtes Gitarrengeflecht von harmonischer Ausprägung und tiefer Schönheit. Sehr schön empfinde ich es, wenn die 12-String eingesetzt wird. Auf diese Weise gewinnt zum Beispiel "I Ain't Blind" stark an Atmosphäre und erinnert dann ein wenig am Leo Kottke. Doch im Gegensatz zu den siebziger Jahren, wo hohe Gitarrenkunst meist vordergründig eingesetzt wurde, wird dieses auf dieser Platte so nicht zur Schau gestellt.

So ist ein Album im Singer/Songwriter-Genre entstanden, mit einer musikalischen Ausgestaltung auf hohem Niveau und textlich eindringlichen Aussagen zu jedem im Booklet in Englisch abgedruckten Text. In diesem derart abgerundeten Umfeld kann man sich auf die Synthese von Musik und Lyrics einlassen, die hinsichtlich des Zusammenwirkens dieser beiden Elemente vollends gelungen ist. Für mich ist "Songs From The Inside" ein 'Wohlfühlalbum' - sehr bewegend, berührend und ausdrucksstark.


Martin Kolbe (vocals, guitars)
Peter Autschbach (all kinds of guitars)
Samira Saygili (mumbling - #10)

01:Family (3:46)
02:Sea Of Past (3:45)
03:I Ain't Blind (3:36)
04:Miles (5:43)
05:Keys (4:22)
06:Holes (3:11)
07:Come Water (3:31)
08:Cage Birds (4:08)
09:In The Name Of The Son (4:30)
10:Prayer (2:34)
11:Finally Me (2:47)
12:I'm Different (4:08)
13:Endlich wieder ich (Bonus Track) (2:45)
14:Unendlich weit (Bonus Track) (5:43)
15:Wasser! (Bonus Track) (3:34)
(all songs by Martin Kolbe
except #3,7,12 lyrics by Martin Kolbe, music by Martin Kolbe and Peter Autschbach)

http://martin-kolbe.com/de/

Wolfgang