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 Betreff des Beitrags: Fabian M. Mueller - Monolog
BeitragVerfasst: Mo 28. Feb 2011, 09:15 
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Registriert: Di 31. Aug 2010, 11:05
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Fabian M. Mueller - Monolog


Ist es Jazz, ist es Klassik?
So ganz sicher ist man sich nach den ersten Klängen dieser Soloplatte nicht. War die Bestimmung der Musik Fabian M. Muellers bei Aufnahmen mit seinem FM Trio noch eindeutig, so stößt der Pianist nun neben dem Jazz noch weitere Türen auf.
Am 19. Januar 1983 wurde der junge Musiker in St.Gallen geboren. Nach dem ersten Musikunterricht an der Violine begann er im Alter von neun Jahren eine klassische Klavierausbildung. Daran schlossen sich Unterrichtseinheiten in Jazz und Klassik, sowie Harmonielehre und Gehörbildung an.
Das scheint sehr wohl gefruchtet zu haben, vertieft man sich in diese Welt der Töne, die uns mit "Monolog" entgegenschallt. Und vertiefen muss man sich schon, um auch wirklich feststellen zu können, was hier geschieht. Piano solo - im Jazz gibt es sicherlich einige Referenzplatten oder auch Meilensteine und natürlich persönliche Vorlieben, allerdings im Vergleich damit auch mitunter Belangloses.
Als Beispiele würde ich gern die folgenden Alben heranziehen:

a) Thelonious Monk "Alone In San Francisco" (1959)
b) Keith Jarrett "The Köln Concert" (1975)
c) Gonzales "Solo Piano" (2004)

Drei Pianisten mit verschiedenen Hintergründen, mit verschiedenen Ansätzen und ganz unterschiedlichem Ausdruck. Werde ich Fabian M.Mueller dazwischen wiederfinden?

Monk, einer der Urväter des Bebop entwickelte rasch seinen ureigenen Stil. Seine Kunst des Weglassens swingte, verleugnete aber gleichwohl den Blues als Basis nicht. Allerdings wirkte er im Gegensatz zu anderen Jazzkollegen am Piano recht 'sperrig'. So erschließt sich dem Hörer die Musik auf der von mir gewählten Aufnahme auch nicht sofort - man ist gezwungen oder gar genötigt, näher hinzuhören.

Schon anders verhält es sich da mit Keith Jarrett, der mit seiner "The Köln Concert" letztlich eine Platte vorlegte, die wahrscheinlich in fast jedem Haushalt steht, egal, ob man nun Jazzliebhaber ist oder nicht. Bedeutet das, dass hiermit Unterhaltungsjazz geschaffen wurde? Tatsächlich passiert darauf einiges, was man so bezeichnen könnte - von schon fast übertrieben wirkender Harmonie über meditative Momente bis hin zu kurzen Ausbrüchen.
Möglicherweise war es damals auch 'chic', diese Platte zu kaufen. Ich habe sie auch, aber einzig aus dem Grund, weil ich Jazzliebhaber bin.
Sicherlich werden hier die Grenzen des Jazz aufgebrochen, für mich bleibt es aber ein Jazzalbum.

Ganz anders beim Musiker des dritten Beispiels, Gonzales, der bereits in vielen populären Musikgenres tätig war, bevor er sich 2004 zu der Veröffentlichung dieser Soloplatte entschloss. Hier stellt sich am ehesten die Frage, ob es Jazz ist. Denn Gonzales lässt im besonderen Einflüsse aus der E-Musik zu, nämlich jene von Ravel und Satie. Dabei kommt absolut 'hörbare' Musik, die man fast schon als glatt und geschliffen bezeichnen kann, heraus, die voller Harmonie ist - weit entfernt von dem, was ich unter Jazz verstehe.

Ach ja, ganz ausschließen möchte ich jenen Stil der New Age-Bewegung, wie sie zum Beispiel vom Pianisten George Winston praktiziert wird.
Aber wie erlebe ich nun "Monolog"?

Zunächst habe ich nicht eine Spur von dem entdecken können, was Thelonious Monk ausmacht. Keine Bluesanteile in dessen Sinne, auch entdecke ich grundsätzlich nichts von dem Ungestümen und der Wucht, mit der Jarrett bisweilen agiert. Allerdings spüre ich bei "Ghost Train" eine leichte Parallele zum amerikanischen Kollegen. Am ehesten bleibt eine Nähe zu der genannten Platte von Gonzales, aber auch nur oberflächlich. Es sind jene Ausgestaltungen im Ausdruck, die in Richtung E-Musik zielen und die am leichtesten einen Brückenschlag herstellen. Und doch - so denke ich letztlich - sind auch gewisse Einflüsse vieler anderer Pianisten nicht zu verleugnen.

Aber es bleibt nicht beim Piano allein. Mueller setzt ebenfalls Perkussion, die Melodica und 'field recordings' ein, wobei ich beim Letzteren nicht ganz sicher bin, welche Naturgeräusche er im einzelnen benutzt hat. Auf jeden Fall erfährt durch diese der kurze Titel "Vertan" eine interessante Ausgestaltung. Für einige mag das wie ein 'Pausenfüller' wirken, doch ich sehe es nicht als 'vertan' an.


Sehr lyrisch fühle ich mich beim zweiteiligen "Labyrinth" umschmeichelt, wobei der 'Part B' etwas kräftiger zur Sache geht. Bisweilen denke ich hier an frühere Vertonungen von Stummfilmen durch Pianisten. In diesem Fall scheint der Film ein Happy End zu haben, denn es klingt sacht aus.

Drohender wirkt dagegen die Eingangssequenz auf "Abraxas", das zu hackenden, tiefen Pianoklängen zwar hektische, aber irgendwie fedrige Beckenklänge anbietet. "Hide And Seek" erscheint mir sehr elastisch im Ausdruck. Hier zeigt sich ein weiteres Mal eine Nähe zu Jarrett.
Das leider viel zu kurze "Feuerbach" bietet mit swingenden Drums und Melodicafetzen eine Miniaturfigur, die ich gerne ausgebaut gesehen hätte, denn dieser Titel hat meines Erachtens Entwicklungspotenzial.

"Irrlicht" ist wirklich gut umgesetzt worden und wird seinem Titel mehr als gerecht. Hier herrscht Unruhe, eine Art Suche nach einem Ziel, die nach gut zwei Minuten jedoch abgebrochen wird. Und genau das ist symptomatisch für viele Stücke von "Monolog". Oft werden Themen lediglich angerissen, dem Hörer der Mund wässrig gemacht und dann ist schon wieder Schluss.

Gerne hätte ich längere Titel gehört, deren Entwicklung ich genossen hätte. So bleiben Miniaturen und Kaskaden von schönen Klängen. Sehr berührend empfinde ich "Last Privilege", und das Gefühl, dass der Künstler außerhalb seiner Trioarbeit auf der Suche nach neuem Terrain zu sein scheint, Mueller ist in erster Linie als Entdecker unterwegs und ich hoffe, er wird die unbekannten Gefilde weiter erforschen und in die Tiefe dieser 'Kontinente' vordringen.

Fazit: Ich habe bei "Monolog" viel Eigenständiges in der Ausführung ausgemacht und konnte insofern in der Rolle des Entdeckers teilhaben. Denn die Musik, so minimalistisch sie auch gelegentlich in ihrer Art ist, bringt mich dazu, inne zu halten und zu lauschen. Eine sehr gute Produktion dieses jungen Musikers.


Es spielt:

Fabian M. Mueller (piano, percussion, melodica, field recording)

Diese Titel:

01:Mann im Mond (2:59)
02:Ghost Train (5:25)
03:Vertan (2:23)
04:Labyrinth Part A (4:16)
05:Labyrinth Part B (5:18)
06:Abraxas (2:28)
07:Fiebertraum (3:51)
08:Hide And Seek (4:08)
09:Feuerbach (1:32)
10:Perception (3:01)
11:Ritter Willfried (3:43)
12:Opponent (5:37)
13:Irrlicht (2:18)
14:Last Privilege (3:44)
15:Weltempfänger (2:18)
(all compositions by Fabian M.Mueller)


http://www.myspace.com/fmsounds


Wolfgang


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