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 Betreff des Beitrags: Julie Campiche Quartet - Onkalo
BeitragVerfasst: Mo 21. Dez 2020, 12:54 
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Registriert: Di 31. Aug 2010, 11:05
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Julie Campiche Quartet - Onkalo

Es gibt Dorothy Ashby und es gibt Deborah Henson-Conant, und Julie Campiche. Und was verbindet die drei Damen? Zumindest das von Ihnen gespielte Instrument, und die Musik, die sie darauf spielen. Und das ist Jazz mit der Harfe.

Begleitet von Saxofon, Bass und Schlagzeug wird das Klangspektrum noch durch Effekte erweitert, von allen Beteiligten eingebracht. Einigen Jazzfreunden mag die Harfenistin noch bekannt sein durch ihre Mitwirkung in der sehr originellen und innovativen Gruppe Orioxy (von 2008-2016). Den Bassisten Manu Hagmann nahm sie mit für ihr eigenes Quartett und mit "Onkalo" liegt die aktuelle Platte vor. War ich von der letzten Platte von Orioxy, “Lost Children“, schon sehr begeistert, so übernehme ich diese gern für das Solowerk des Julie Campiche Quartets.

Denn diese Musik ist äußerst faszinierend, und die wesentlichen Akzente, die Julie bei Orioxy setzte, führt sie hier lückenlos fort. Und dabei helfen ihr alle drei Musiker, indem sie einerseits ihre eigene Art einbringen und sich andererseits mit der Bandleaderin musikalisch verschmelzen zu einem großen Ganzen. Mit “Flash Info“ startet die Platte und für eine Weile von hört man nur eine zart und melodiös gezupfte Harfe. Dann bricht der Schlagzeuger plötzlich ein und bringt den Song zusammen mit dem Bassisten in einen sehr schnellen Swing-Modus, aber nur kurz, dann wieder Harfe solo, dann wieder der unglaublich rasende Swing, doch innerhalb der gut neun Minuten Spielzeit ist noch alles möglich. Und so reiht sich nach gut drei Minuten auch der Saxofonist ein, und das ganze überraschende Spiel wird durch schwebende Effekte noch untermauert. Welch ein grandioser Auftakt! Es mag Zufall sein, aber in seiner Ausdruckskraft und hinsichtlich der rhythmischen Wechsel erinnert mich das Stück sehr stark an Milt Jackson & John Coltrane mit ihrem “Bebop“.

Doch Bebop wird hier sicherlich nicht angeboten, dessen wilder Swing vielleicht in einigen Passagen. Leo Fumagalli am Saxofon bricht ein wenig aus und gibt dem Titel noch mehr Kraft und Ausdruck. Allein der Auftakt ist dermaßen nach Maß, dass es sicher schwierig sein wird für die restliche Musik der Platte, dieses Niveau zu halten. Mithin, die vier Musiker haben überwiegend Texturen geschaffen, die zwischen Ruhe und Wildheit alles beinhalten, man forscht und experimentiert und wenngleich die Effekte (FX) auch ein wenig fremdartig klingen mögen, hier passen sie genau in das Gesamtbild, mit diesem teils fauchenden Sound, der mitunter wie ein kalter Wind durch die Szenerie pustet.

Solche Experimente kennt man derzeit eher aus Skandinavien von Musikern wie Nils Petter Molvaer. Jedoch während bei ihm die Electronics eher stark im Vordergrund stehen, füllen sie hier lediglich aus. Dabei unterstützen sie den oft mehr minimalistisch klingenden Sound, und jeder Song braucht Zeit, sich zu entfalten. Die bis auf einen Song langen Spielzeiten erlauben dieses auch. Ganz wunderschön ist das im Titelsong gelungen, mit 11:44 das längste Stück. Anfänglich glaubt man, im “ECM-Kosmos“ gelandet zu sein, irgendwo an einem verlassenen Ort in Skandinavien, und dann erinnert mich die Protagonistin ein wenig an die finnische Kollegin Iro Haarla, die neben Piano ebenfalls Harfe spielt. Ja, hier entsteht ein wahres Kopfkino, Musik als Soundtrack eines sehr geheimnisvollen Films, dessen Handlung sich in dunkler, abgeschiedener und verschneiter Landschaft abspielt, am ehesten ist das also ein Soundtrack für einen skandinavischen Film noir.

Kurzum, diese Platte sei Allen ans Herz gelegt, die Jazz mögen, aber nicht den traditionellen, sondern Jazz als Basis für Improvisation, und Allen, die solche elektronische Begleitung lieben, vorzugsweise der skandinavischen Art und Allen, die gern etwas Neues kennenlernen möchten, ach ja, und natürlich Allen, die den Klang der Harfe mögen. Zugreifen, hier ist etwas Hervorragendes gelungen!


Leo Fumagalli (saxophone & FX)
Julie Campiche (harp & FX)
Manu Hagmann (bass & FX)
Clemens Kuratle (drums & FX)

1 Flash Info (9:12)
2 Cradle Songs (4:30)
3 Onkalo (11:44)
4 To The Holy Land (10:15)
5 Lepidoptera (7:00)
6 Dastet Dard Nakoneh (8:38)

https://www.juliecampiche.com/de/Quartet


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Zuletzt geändert von Montague am Mo 21. Dez 2020, 18:31, insgesamt 1-mal geändert.

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 Betreff des Beitrags: Re: Julie Campiche Quartet - Onkalo
BeitragVerfasst: Mo 21. Dez 2020, 16:40 
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Registriert: Fr 28. Okt 2016, 19:02
Beiträge: 11472
Wohnort: Berlin
Mensch Wolfgang, so möchte ich auch mal schreiben können.
Aber unser Horizont hier war nicht so unendlich wie bei Euch mit der Nordsee :lol:
Wir hatten nur 'ne Mauer vor den Augen. :mrgreen:
Werde mich mit Deinem Vorschlag über die Feiertage mal beschäftigen.


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