Ein tiefes, wunderbar poetisches Lied von Scott, wahrscheinlich mein Lieblingswerk. In musikalischer Hinsicht mit Sicherheit von Tiomkins eindrucksvollem Stück mehr als nur inspiriert, geht es dem von Bachs Orgelwerk beeinflussten "A whiter shade of pale" der Band Procul Harum zeitlich ein halbes Jahr voraus. Ein musikalisches Pionierwerk also. Aber auch in textlicher Hinsicht regt es zu einigem Nachdenken an.
Zunächst gebe ich mal eine Transkription der Lyrics, da das Internet von falschen Lesungen geradezu wimmelt. Dann ein paar Gedanken meinerseits zum Inhalt, nachdem ich mich heute mal an einer Übersetzung versucht habe.
Zitat:
Archangel
Silence! To hear once more
her footsteps down the shadowed corridor;
Frightened... you're overdue;
The darkest day goes on until it's blessed by you.
Archangel rides in on the moon
just to save me from this tomb;
I'll cry the tears of time all day
'til she wipes them all away...
Outside my window on silver trumpets children play;
I stand here watching the dying of an ageless day,
dismiss young couples who go home to their knowing beds
and watch the rooftops where silent shadows slowly tread.
Sleeping their dreamless sleeps
they'll never know the secrets this room keeps...
They'll wake when I'm born again.
The rent's been paid, so hurry, carry me away!
Archangel rides in on the moon
just to save me from this tomb;
I'll cry the tears of time all day
'til she wipes them all away...
Zitat:
Erzengel
Stille! Um noch einmal
ihren Fußtritten den umschatteten Korridor hinab zu lauschen.
Beklommen... du bist überfällig;
Der dunkelste Tag setzt sich fort, bis er von dir gesegnet wird.
Erzengel reitet herbei auf dem Mond
Nur um mich aus diesem Grab zu erretten;
Ich werde die Tränen der Zeit den ganzen Tag weinen,
bis sie sie alle hinwegwischt.
Draußen vor meinem Fenster spielen Kinder auf silbernen Trompeten;
Ich stehe hier, dem Sterben eines zeitenlosen Tags zusehend,
Verabschiede junge Paare, die heimkehren in ihre wissenden Betten
Und betrachte die Dachfirste, wo stille Schatten langsam schreiten.
Schlafend ihren traumlosen Schlaf,
Werden sie niemals um die Geheimnisse wissen, die dieser Raum birgt...
Sie werden erst erwachen, wenn ich wiedergeboren bin.
Die Miete ist bereits bezahlt...Drum eile, trage mich hinfort!
Erzengel reitet herbei auf dem Mond
Nur um mich aus diesem Grab zu erretten;
Ich werde die Tränen der Zeit den ganzen Tag weinen,
bis sie sie alle hinwegwischt.
Zu Beginn scheint es um den Verlust einer geliebten Frau zu gehen, darin dem Song "In my room" thematisch verwandt. Ob mit dem "von dir gesegnet" noch diese Frau oder nicht bereits der herbeigesehnte Erzengel oder am Ende gar Gott selbst gemeint ist, bleibt offen. Das "du bist überfällig" scheint mir monologisch auf den Protagonisten selbst bezogen, Todessehnsucht schwingt in diesen Zeilen durch.
Die "Silver Trumpets", auf denen die Kinder spielen, scheinen mir eine bildliche Anspielung auf die alt- wie neutestamentlichen silbernen Trompeten bzw. Posaunen zu sein.
Es gab im Alten Testament zwei "Trompeten aus Silber", die die Priester benutzten, um die Fürsten zusammenzurufen, die Gemeinde zu versammeln oder um Kriegsalarm zu schlagen. Das Ganze wiederholt sich dann in "höherer Gestalt": Bei den göttlichen Gerichten, die laut Neuem Testament auf die Erde kommen werden, wie es in der "Offenbarung" vorhergesagt wird, führt das siebente Siegel (sic!) die sieben Posaunen ein. Diese bringen die Plagen mit sich (sic!). Eine vom Drachen bedrohte Frau gebiert ein Kind mit "goldener Krone", das die Menschheit mit "eisernem Stabe" weidet. (OT: Musste dabei gerade an Scotts Mikrophon denken). *lol* Es wird angesichts der Bedrohung durch das Böse von den Erzengeln in den Himmel entrückt. Irgendwie passend.
Das "Sterben eines zeitenlosen Tages"... wohl eine vergleichende Anspielung auf die Apokalypse, den Untergang dieser Welt?
Die folgenden Zeilen zeigen eine scheinbare Verachtung für das allzumenschliche Sinnliche bei anderen (dennoch verbunden mit einer gewissen unterdrückten Wehmut bzw. dem Gefühl der Ausgeschlossenheit von dieser Sinnlichkeit) und erinnern dann an den unausweichlichen, diese Sinnlichkeit bedrohenden Tod. Barocker Vanitas-Gedanke pur.
Das Fehlen einer tieferen Erkenntnis auf Seiten der anderen Menschen wird daraufhin (etwa ironisch? Sind mit den "Geheimnissen" seines "Raumes" am Ende erotische Erlebnisse gemeint?) beklagt.
Der Protagonist wünscht sich angesichts dessen aus der irdischen Welt ("diesem Grab") hinfort.
Der (offenbar weiblich gesehene?) Erzengel (d. h. die bis ins Überirdisch-Religiöse überhöhte verlorene Geliebte?), auf dem Mond einherreitend, soll ihm diesen Wunsch erfüllen.
Am Ende ein wunderbar ironisch-sarkastischer Einwurf: Die Wohnungsmiete sei bereits bezahlt, der Erzengel möge sich also bitte beeilen ihn abzuholen.
"Engel" pur?
LG, Mario.